Logo Kanton Bern / Canton de Berne Fächernet Volksschule

Fördermethoden und ihre Wirksamkeit

Förderung – was wirkt bei Lernenden mit Schwierigkeiten (nicht)? Zur Förderung der Leseentwicklung gibt es in der Schulpraxis verschiedene didaktische Vorgehensweisen, die hier in Bezug auf Lernende mit Schwierigkeiten (kritisch) beleuchtet werden.

  • Leseentwicklung und häufige Schwierigkeiten

  • Leseförderung an der Schule

  • Leseförderung im Unterricht

Dialogisches Vorlesen

Förderung der aktiven Kommunikation zwischen Lernenden und einer erwachsenen Person

Das dialogische Vorlesen von Textpassagen und Büchern im Unterricht hat sich nicht nur im Zyklus 1, sondern bis in die spätere Schulzeit als anregendes Verfahren erwiesen (Rosebrock & Nix, 2020, S. 129). Dabei ist der aktive Dialog aller Interaktionspartner:innen wichtiger als das ungestörte Erzählen. Untersuchungen haben gezeigt, dass dialogisches Vorlesen bei Kindern mit geringen Sprachfähigkeiten aus einkommensschwachen Familien in relativ kurzer Zeit zu beachtlichen Fortschritten bezüglich Wortschatz und allgemein kognitiver Entwicklung führen kann.
Vorlesen kann zudem für die Lesemotivation wichtig sein (Schneider et al., 2013, S. 28). Es ermöglicht den Lernenden, mit Geschichten und Texten in Kontakt zu kommen, die sie lesetechnisch eventuell noch nicht bewältigen können (LINK Dialogisches Vorlesen).

Vorlesen kann zudem für die Lesemotivation wichtig sein (Schneider et al. 2013, S. 28). Es ermöglicht den Lernenden mit Geschichten und Texten in Kontakt zu kommen, die sie lesetechnisch eventuell noch nicht bewältigen können (LINK Dialogisches Vorlesen).

Reihumlesen

Unvorbereitetes, lautes Vorlesen reihum in der Klasse

Die Lernenden trainieren weder die Leseflüssigkeit (Textabschnitt wird nur einmal gelesen) noch das Leseverständnis (Gesamtzusammenhang fehlt) und schon gar nicht die Motivation (Lernende fühlen sich ausgestellt, was zu Stress führen kann). Unfreiwilliges unvorbereitetes Vorlesen vor der Klasse ist deshalb nicht gewinnbringend und für Lernende mit Schwierigkeiten sogar problematisch. Vorbereitetes lautes Vorlesen fördert die Leseflüssigkeit und ist lernförderlich (Rosebrock & Nix, 2020).

Lautleseverfahren

In kooperativer Form Texte mehrmals laut vorlesen

Im Gegensatz zum Reihumlesen in der ganzen Klasse kann durch Lautleseverfahren die Leseflüssigkeit ab der zweiten Klasse wirksam und sozialverträglich gefördert werden. In diesem Trainingssetting lesen Lernende Texte oder Textabschnitte mehrmals laut vor und üben damit die Worterkennung, die Verbindung von Wortfolgen im Satzzusammenhang und die Zusammenhänge zwischen den Sätzen (Rosebrock & Nix, 2020, S. 31 ff.). Die Leseflüssigkeit wird automatisiert, was einen indirekten Transfereffekt auf das Leseverständnis, die Motivation und das Reflexionsvermögen hat (Rosebrock & Nix, 2020, S. 33 ff.).

Eine effektive Umsetzung der Lautleseverfahren sind Lautlesetandems. Die Durchführung dieser Methode mit lesestärkeren Lernenden oder Erwachsenen (Bsp.: Eltern) hat sich für Lernende mit Schwierigkeiten bewährt (Scheerer-Neumann, 2015, S. 96) und ist bis in höhere Klassen (Zyklus 3) sehr sinnvoll.

Untersuchungen zeigen, dass nicht nur leseschwache Lernende profitieren, sondern auch lesestarke, zum Beispiel bei der Verbesserung der Reflexionsfähigkeiten (Rosebrock & Nix, 2020, S. 53 f.; Scheerer-Neumann, 2015, S. 93).

Um eine Wirkung zu erzielen, müssen die Verfahren recht intensiv eingesetzt werden: 3-mal 15 Minuten über 15 Wochen (Schneider et al., 2013), jedoch nicht länger als 6–8 Wochen am Stück (Socha, 2019).

Insbesondere bei Lernenden mit Schwierigkeiten ist streng darauf zu achten, dass die sprachliche Oberfläche der Texte nicht überfordern, damit die gewünschte Wirkung erzielt werden kann (Rosebrock & Nix, 2020, S. 51). Ausgebildete Fachpersonen in Heilpädagogik und Logopädie wissen, worauf zu achten ist, damit der Schwierigkeitsgrad der Texte mit den Lesekompetenzen der Lernenden übereinstimmen.

Lautleseverfahren sollten fest in den Schulalltag integriert werden, zum Beispiel mit dem Lehrmittel «Lesen. Das Training» (Link Leseförderkonzept Bern Bethlehem).

Weitere Möglichkeiten, um (halb)lautes Lesen zu üben, sind: begleitetes Lautlesen mit Hörbüchern oder mit Eltern, Lesetheater usw. (Rosebrock & Nix, 2020, S. 31 ff.).

Leseanimation

«Verlockung zum Lesen» durch Lesenächte, Vorlesewettbewerbe, ... zur Steigerung der Motivation.

Die Voraussetzungen für die Leseanimation sind sehr hoch: Grundfertigkeiten wie Leseflüssigkeit werden vorausgesetzt. Für Lernende mit Schwierigkeiten zeigt diese Art der Leseförderung kaum Wirkung oder kann sogar schädlich sein, wenn nicht die Themen, Bücher und Events dieser Animationen sehr nahe an der Lebenswelt der zum Teil bildungsfernen Kinder und Jugendlichen sind.

Ein offener Literaturbegriff führt zu einer breiten Auswahl an Genre und Textsorten. Lesen sollte ausserdem nicht als anstrengungsfreie Erfahrung vermittelt werden, denn dadurch wird verschwiegen, dass die Aneignung der Lesekompetenz auch Arbeit und Mühe bedeutet (Rosebrock & Nix, 2020, S. 110 ff.).

Alternative Fördermethoden

Wirksame Förderprogramme sind ausschliesslich Verfahren, die unmittelbar auf die Lernprozesse beim Lesen gerichtet sind. Keinen Einfluss auf die Leseleistungen haben unspezifische Verfahren wie visuelle und akustische Wahrnehmungstrainings und motorische Trainingsverfahren etc. Der Transfer dieser Verfahren auf das Lesen konnte bisher nicht nachgewiesen werden (Scheerer-Neumann, 2015, S. 68).

Leseverstehen

Verstehen begleiten: Die Beantwortung von Textverständnisfragen, die man oft am Schluss eines Textes zur Überprüfung des Textverstehens antrifft, setzen voraus, dass die Lesenden Zusammenhänge zwischen Wörtern, Wortgruppen und Satzfolgen herstellen können. Diese lokale Bildung von Zusammenhängen gelingt Lernenden mit Leseschwierigkeiten oft noch nicht. Deshalb können sie die Fragen in der Folge nicht beantworten (Neugebauer & Nodari, 2012, S. 52). Das heisst, dass Fragen zum Textverständnis das Textverstehen überprüfen. 

Hilfreiche Aufgabenstellungen für Lernende mit Leseschwierigkeiten leiten an und begleiten. Sie sind so formuliert, dass die Lernenden genau wissen, wie sie mit dem Text/Textabschnitt umgehen müssen. Teilerfolge werden möglich. Bsp.: «Lies den Abschnitt eins nochmals durch und streiche alle Personen rot an», anstelle der Frage: «Wer sind die Hauptpersonen in diesem Krimi?» 

Weitere Hinweise zu unterstützenden Aufträgen siehe Neugebauer und Nodari (2012, S. 46 f.) (LINK) Bsp.: Artikel Neugebauer, 2008) 

Lesestrategien

Lesestrategien sind ab ca. der vierten Klasse bis ins Erwachsenenalter explizit vermittel- und anwendbar. Vorformen sollten schon ab dem Kindergartenalter angebahnt werden.

Beispiele von Formen der Lesestrategien sind: Fünf-Schritt-Lesemethode und die wirksame kooperative Methode des reziproken Lehrens (Rosebrock & Nix, 2020, S. 72 ff.). Diese Verfahren fördern vor allem Lernende, die bereits über gute Lesekompetenzen verfügen. Deshalb müssen sie bei Lernenden mit Schwierigkeiten stets sehr gut eingeführt, strukturiert und begleitet eingesetzt werden.

Die selbstständige Anwendung der Verfahren in neuen Texten kann nicht vorausgesetzt werden und muss über lange Zeit eingeübt werden (Neugebauer & Nodari, 2012, S. 52).

Lesemotivation

Langfristig sind Erfolge für die Lesemotivation und das lesebezogene Selbstkonzept bedeutsam: Je nachdem, wie Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse sich einstellen und verarbeitet werden, entsteht ein Selbstbild als «Nicht-Leser:in» oder als «Leser:in». Macht ein lesendes Kind immer wieder die Erfahrung, dass es technisch nicht gut (vor)lesen kann oder Texte wiederholt nicht versteht, kann sich ein negatives lesebezogenes Selbstbild langfristig verhärten. Lernende meinen nicht selten, sie seien als «Nicht-Leser:innen» auf die Welt gekommen, obschon ihnen «lediglich» Kompetenzen im Umgang mit Texten fehlen.

Umgekehrt helfen positive Selbstkonzepte beim Lesen dickerer Bücher oder beim Bewältigen von herausfordernden Textaufgaben.

Seite teilen